Alex Kipman war bereits an diversen bahnbrechenden Erfolgen von Microsoft beteiligt, unter anderem an der Entwicklung von Kinect im Jahr 2010. Seit 2001 hat er bereits über 150 Patente für Microsoft angemeldet. Das neueste Patent, die HoloLens 2, hat es in sich. Wir haben den Event «HoloLens 2 – Unpacked» bei der ETH besucht und Ihnen die wichtigsten Neuheiten zur neuen Mixed Reality-Brille hier zusammengefasst:
Sichtfeldgrösse verdoppelt
Hier nimmt Microsoft eine grosse Schwachstelle der HoloLens in Angriff. Mit der Verdoppelung des Sichtfelds soll die Business-Tauglichkeit deutlich erhöht werden. Die Auflösung wurde gleichzeitig nicht vernachlässigt: Die HoloLens 2 verfügt immer noch über 47 Pixel pro Sichtgrad und gehört somit in diesem Bereich zu den Marktführern. Da das menschliche Auge eine solche Pixeldichte auf diese Distanz gar nicht erfassen kann, greift Microsoft auf eine andere Lösung zu: mit einem spiegelgesteuerten „MEMS Laser Display“ wird das Bild mit 3 RGB Lasern pro Auge direkt auf die Netzhaut projiziert. Die Präzisionstoleranz liegt hierbei bei 15 Picometer – weshalb Microsoft eine Genauigkeit bis auf 10 Picometer garantiert. Um sich dies vorzustellen: 10 Picometer entsprechen einem milliardstel Zentimeter (ca. 5 millionenfach dünner als ein menschliches Haar und 10 Mal kleiner als ein Wasserstoffatom).
Intuitive Handgesten und ultrapräzise Steuerung
Die Handsensoren der HoloLens 2 verfügen über eine verringerte Pixeldichte, wodurch Handbewegungen viel effizienter erkannt werden. So fühlen sich Handgesten viel natürlicher an und Latenzzeiten sind kaum noch vorhanden. Auch wurden die erkennbaren Gesten an sich überarbeitet, mit Fokus auf intuitive Bewegungen, wie wir sie auch im Alltag verwenden (z.B. etwas greifen und ziehen). Objekte können auch mit zwei Händen angefasst und vergrössert respektive verkleinert werden. Besonders beeindruckt hat uns die extreme Präzision – im Gegensatz zu anderen VR Brillen, die aktuell auf dem Markt sind, erkennt die HoloLens 2 jede Bewegung sicher und schnell, ohne dass man es mehrfach versuchen muss. Zusätzliche Bewegung der Hände, die keiner Steuerung dient, werden ebenfalls zuverlässig rausgefiltert.
Erweitertes «Spatial Mapping» für perfekte Erkennung von Oberflächen
Die verbesserte Oberflächenerkennung ist echt beeindruckend. Das sogenannte «Spatial Mapping», was man sich wie ein Tuch, das über den Raum geworfen wird, vorstellen kann, wurde mit einem neuen Tiefensensor verbessert. Dieser «ToF Depth Sensor» arbeitet mit künstlicher Intelligenz und erkennt und vervollständigt die vorhandenen Oberflächen noch präziser als bis anhin.
Video
Neue Eyetracking Funktion «Eye Gaze»
Die HoloLens der ersten Generation arbeitete mit Headtracking, welches Kopfbewegungen erkennen konnte. Leider war diese Funktion relativ fehleranfällig, da sich die Augen durchaus hin und her bewegen, ohne dass die Kopfbewegung immer kongruent ist. Deswegen wurde die HoloLens 2 mit einer Eyetracking-Funktion ausgestattet. «Eye Gaze» erkennt, welche Objekte sich der Nutzer anschaut und hebt diese Objekte leicht hervor, was die Bestätigung, mit dem richtigen Objekt zu interagieren, erhöht. Als Zusatzfeature ermöglicht «Eye Gaze» das Einloggen via Iris-Scan.
Neues «Ambient Microphone» filtert Umgebungsgeräusche
Auch die Verbesserungen beim Mikrofon sind für Business-Anwender sehr interessant. Oft ist der Geräuschpegel in Arbeitsumgebungen relativ hoch, was zu Schwierigkeiten bei der Spracherkennung führt. Mit dem neuen «Ambient Microphone», welches direkt in das Glas der Brille eingebaut ist, wird hier Abhilfe geschaffen. Durch die spezielle Platzierung und Ausrichtung des Mikrofons werden die Töne in einer Art Blase um den Mund des Nutzers gemessen und Umgebungsgeräusche rausgefiltert. Diese neue Technologie soll in Umgebungen mit bis zu 90dB Geräuschpegel (in etwa die Lautstärke einer Motorsäge) funktionieren.
Verbesserter Komfort durch bessere Gewichtsverteilung
Neue Massstäbe setzt die HoloLens 2 auch in Sachen Komfort. Mit 580 Gramm ist die HoloLens 2 zwar sogar ein Gramm schwerer als der Vorgänger, fühlt sich aber durch die bessere Gewichtsverteilung viel leichter an. Neu liegt der Schwerpunkt der Brille nicht mehr vorne, sondern in der Mitte des Kopfes. Zudem sorgen die neu platzierten Polster an der Stirn und am Hinterkopf für einen perfekten Sitz. Die HoloLens 2 lässt sich für etwa 95% aller Schädelformen und -grössen gut anpassen. Die Brille ist zudem mit einem Vapor-Cooling-Konzept ausgestattet, welches man bereits von CPU-Kühlungssytemen kennt. Die Wärme, die bei der Nutzung entsteht, wird innerhalb des Gehäuses mit Wasserdampf optimal verteilt. So ist das Tragen der Brille auch über mehrere Stunden sehr angenehm.
Rendering (z.B. für die Darstellung von BIM-Modellen)
Ein wichtiger Faktor für die detailgetreue Darstellung von Hologrammen ist die Anzahl der Polygone im Rendering. Polygone sind die Flächen, die zweidimensional in einem dreidimensionalen Raum angezeigt werden. Da ein Computer nicht in der Lage ist, runde Objekte darzustellen, werden Rundungen in Renderings mit einer Vielzahl an Polygonen visualisiert.
Zur Verdeutlichung: Ein Würfel besteht aus 6 Polygonen. Eine Kugel darzustellen funktioniert ähnlich, nur sind es unzählig viele kleine Flächen, die nebeneinander im bestimmten Winkel angeordnet werden, um so die Illusion einer Kugel zu erstellen.
Die Anzahl der Polygone, die sich mit der HoloLens 2 darstellen lassen, konnte dank «Remote Rendering» von 100’000 auf 100’000’000 Polygone erhöht werden. «Remote Rendering» lagert Berechnungen, die viel CPU Leistung benötigen, direkt in die Cloud aus. So können auch CAD-Modelle mit 80’000’000 Polygonen fehlerfrei auf der HoloLens 2 dargestellt werden.
Offene Plattform für Entwickler
Die HoloLens 2 kann erst wirklich produktiv eingesetzt werden, wenn die dazu passende Software für Business-Anwendungen zur Verfügung steht. Deswegen öffnet Microsoft die Softwareplattform für HoloLens 2 wieder für Entwickler, um einen möglichst hohen Anreiz zur Entwicklung neuer Tools zu setzen.
Die HoloLens 2 Anwendungen können über den integrierten App-Store heruntergeladen werden. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, die HoloLens 2 und Anwendungen in Echtzeit über das Windows Device Portal zu verwalten. Dank der Verbindung zur Cloud ergeben sich komplett neue Anwendungsmöglichkeiten. Die HoloLens Apps sind aber nicht zwingend an die Cloud gebunden, auch Offline-Anwendungen sind problemlos umsetzbar.
Interessante Anwendungen
Um sich vorstellen zu können, welche Vorteile die HoloLens 2 und Mixed Reality für die Unternehmenswelt mit sich bringt, haben wir Ihnen einige Beispiele zusammengetragen:
Baubranche
3D Visualisierung von BIM-Plänen, zum Beispiel Einblenden von Leitungen, Rohren etc. in realen Umgebungen für einfacheres Planen und Arbeiten
Medizin
Einlesen von MRI Scans als 3D Modell direkt in die HoloLens 2 für Minimierung der Fehlerquoten
Service & Montage
Remote Support für Wartungen und Reparaturen (siehe Video unten)
Schulung
Virtuell und realitätsnahe Abläufe üben und so Kosten für Schulungen verringern
Verkauf / Design
Individuelle Objekte in reale Umgebung integrieren und ansehen
Anwendung: Remote Support mit HoloLens2
Der Release der HoloLens 2 wurde leicht verschoben, wird jedoch nach wie vor bis Ende Jahr erwartet. So sollten wir, wenn alles klappt, für unsere nächsten Events bereits eine HoloLens 2 zum Testen bereitstellen können.
Sie möchten bezüglich Release und Entwicklung der HoloLens 2 auf dem Laufenden bleiben und über anstehende Events informiert werden? Dann verfolgen Sie unseren Blog oder folgen Sie unserem Unternehmen auf Linkedin.